Die dramatisch steigenden Infektionszahlen haben die Politik im November wieder zum Handeln gezwungen und einen Teil-Lockdown veranlasst. Das ist für viele Branchen sehr schmerzhaft und erneut mit viel Arbeit und Flexibilität verbunden.
Michael Gorlt (Geschäftsführer des Fitnessparks Puchheim), Frank Seidl (Geschäftsführer das seidl Hotel & Tagung) sowie Özkan Ünal als Geschäftsführer des Kaffeehauses berichten im Gespräch mit Wirtschaftsförderin Sonja Weinbuch aus ihrem Alltag im „Lockdown light“.
Seit dem Teil-Lockdown ab 2. November dürfen Hotels nur noch Geschäftsreisende aufnehmen, Restaurants Speisen nur noch liefern oder abholen lassen und Fitnessangebote nur noch online vermittelt werden. Ihre Branchen sind besonders hart von den Corona-Maßnahmen betroffen. Haben Sie nach dem Lockdown im Frühjahr schon mit einer zweiten Welle, die eine weitere Schließung nach sich ziehen könnte, gerechnet und konnten Sie sich entsprechend darauf vorbereiten?
Micheal Gorlt: Natürlich haben wir uns schon zu Beginn des ersten Lockdowns vorbereitet und vielfältigere Maßnahmen ergriffen, als notwendig waren. Zum Beispiel haben wir neben den Hygieneregeln wie Lüften, Abstandhalten sowie Desinfizieren eine Lüftungsanlage sowie eine Temperatur-Messstation einrichten lassen: Ab einer Körpertemperatur von 38°C durfte nicht mehr trainiert werden. Die Leute sind wiedergekommen und hatten weniger Angst, daher haben wir mit einem erneuten Lockdown nicht gerechnet.
Frank Seidl: Ja, ich habe für den Winter mit einer zweiten Welle gerechnet. Das war beim Verlauf der Spanischen Grippe mit der sogenannten „Herbstwelle“ ähnlich. Daher haben wir auf Notbetrieb heruntergefahren. Ein Schlüsselautomat für Spätanreisende ersetzte den Nachtdienst an der Rezeption und nur ein Stockwerk blieb geöffnet. Die neuen Corona-Maßnahmen sind für uns trotzdem eine Vollkatastrophe. Im Herbst war ein sehr guter Tag, wenn von 96 Zimmern 15 besetzt waren und ich rechne für 2020 mit einem Gesamtumsatz von 20 Prozent des Umsatzes aus dem Vorjahr.
Özkan Ünal: Wir haben mit einer weiteren Welle und einer weiteren Schließung gerechnet und konnten uns entsprechend vorbereiten. Zum Beispiel haben wir unsere Mitarbeiter*innen ermuntert, Überstunden zu machen, um sie im Winter wieder abzubauen. Außerdem bieten wir einen Lieferservice an, damit unsere Aushilfen weiter beschäftigt werden können.
Fitnessstudios müssen seit dem 2. November bis voraussichtlich 10. Januar geschlossen bleiben. Sie bieten daher auch online Fitness-Kurse an. Wer kann an den Kursen teilnehmen und wie wird das Online-Angebot angenommen?
Gorlt: Das Angebot wird gut angenommen und ist für Mitglieder kostenlos. Es ist allerdings nur eine Alternative, keine Lösung; weder aus geschäftlicher noch aus gesundheitlicher Sicht.
Sofort-Hilfe, Überbrückungshilfe, Novemberhilfe – die Bundes- und Landesregierungen haben verschiedene Hilfspakete geschnürt. Wie hilfreich sind die Hilfsprogramme der Bundes- und Landesregierung für Sie und wie hoch ist der bürokratische Aufwand für die Anträge?
Seidl: Die Beantragung der Soforthilfe im April war relativ unbürokratisch. Allgemein verursachen die Hilfsmaßnahmen inzwischen hohe Kosten. Die Überbrückungshilfen mussten schon von einem Steuerberater beantragt werden, dessen Kosten allerdings bis zu 80 Prozent der Staat, also die Allgemeinheit, übernimmt. Für die November- und Dezemberhilfen werden die Steuerberaterkosten direkt vom Antragssteller getragen.
Ünal: Die neuen Anträge konnten erst Ende November und nur mit Hilfe eines Steuerberaters beantragt werden. Das kostet natürlich einiges, aber es ist daher nicht viel Aufwand für mich, ich muss lediglich ein paar Unterschriften leisten. Die Hilfe ist eine große Unterstützung für viele, ich finde das eine faire Lösung.
Gorlt: Die staatlichen Hilfen sind nur ein Tropfen auf den heißen Stein und mit einem enormen bürokratischen Aufwand verbunden. Die Novemberhilfen sind bisher noch nicht angekommen. Wir bangen um unsere Existenz und wissen nicht, wie es weitergeht. Im Frühjahr haben uns viele Mitglieder weiterhin unterstützt, indem sie ihre Mitgliedsbeiträge weiterhin bezahlt haben. Aber natürlich gab es auch extrem viele Kündigungen.
Herr Seidl, wie stehen Sie zu der Diskussion in einigen Bundesländern, private Hotelübernachtungen zu ermöglichen, damit sich Familien über die Weihnachtsfeiertage gegenseitig besuchen können?
Seidl: Die Wahrscheinlichkeit, sich im Hotel bei einem anderen Gast anzustecken, schätze ich bei uns im Moment als sehr gering ein. Ich gehe davon aus, dass das bei der Mehrzahl von Hotels nicht anders ist, da die Belegung derzeit sehr niedrig ist und sich kaum Gäste über den Weg laufen. Ansteckungen finden dann meiner Meinung nach eher in den Familien statt, da dort vielleicht weniger auf die Regeln geachtet wird. Das Problem sind also nicht die Hotelübernachtungen, sondern das Herumreisen und die vermehrten Kontakte an sich. Wir schließen unser Haus in der Regel über Weihnachten, da keine Geschäftsreisenden kommen.
Ob Mittagessen im Büro oder Sonntagsessen in der Familie. Die Bedürfnisse, sich ein fertiges Essen zu bestellen, sind sicher sehr unterschiedlich. Herr Ünal, ist der Bedarf für das Abhol- und Liefergeschäft weniger vorhersehbar, als wenn das Kaffeehaus normal geöffnet hat?
Ünal: Leider ist der Bedarf wirklich sehr schwer zu kalkulieren und obwohl es mir schwerfällt, muss ich viel mehr wegschmeißen als sonst.
Wie schätzen Sie das zukünftige Konsum-, Sport- und Reiseverhalten der Menschen ein, wenn durch den erhofften Impfstoff eine Herdenimmunität erreicht wird und die Corona-Krise endlich vorbei ist?
Gorlt: Wir hoffen, dass es bald wieder weitergeht. Eine unserer Kundinnen war am letzten Tag vor der Schließung noch zum Trainieren da und sagte zu mir „ich brauche euch“. Sie ist 93 Jahre alt und für sie ist es enorm wichtig, fit zu bleiben. Gerade in Corona-Zeiten muss das Immunsystem gestärkt und die Gesundheit der Menschen gefördert werden. Daher ist Fitness Teil der Lösung und nicht Teil des Problems, wie es in den Medien oft vermittelt wird. Ich schätze die Gefahr viel höher ein, sich in Baumärkten oder öffentlichen Verkehrsmitteln anzustecken als im Fitnessstudio. Ich hoffe, dass wir unsere Kunden bald wiedersehen können, aber es wird nicht mehr so sein wie vor Corona. Bei Vertragsabschluss wird beispielsweise ein Gesundheitscheck durchgeführt.
Ünal: Die Menschen freuen sich auf soziale Kontakte und darauf, mal wieder auszugehen. Mir geht es genauso. Daher müssen wir vorsichtig sein, dass der Andrang nicht zu groß wird.
Seidl: Bei zwei meiner besten Firmenkunden wurden Reisen für ihre Angestellten in der Corona-Krise komplett untersagt. Es wird ein paar Jahre dauern, bis das alte Niveau da wieder erreicht wird und es wird viel mehr über Videokonferenzen laufen als früher. Konferenzen und Messen werden allerdings wieder live stattfinden, worauf ich mich schon freue. Dann hat auch sicher unser Restaurant wieder mehr Zulauf, mit dem wir uns momentan auf den Abholservice beschränken.
Wer belegt die wenigen Zimmer, die Sie momentan vermieten können?
Seidl: Einige wenige Gäste haben unsere Zimmer unter der Woche als Pendler-Heimat für längere Projektarbeiten bezogen. Hin und wieder mieten sich Geschäftsreisende ein, aber sehr wenige. Ausländische Gäste hatten wir seit März gar keine mehr.
Sind Sie der Ansicht, dass die Corona-Pandemie ein neues Bewusstsein für Regionalität im Konsumverhalten der Menschen ausgelöst haben könnte, Herr Ünal?
Ünal: Was den Essenskonsum im Umland betrifft, würde ich sofort sagen, ja. Meine Kollegen in der Innenstadt sind von Besuchern und Touristen abhängig, da schlägt sich das nicht so nieder. Andere Branchen haben den Online-Handel als große Konkurrenz, da viele Angst haben, aus dem Haus zu gehen.
Herr Gorlt, wie halten Sie sich privat unter den Corona-Einschränkungen und bei den kalten Temperaturen fit?
Gorlt: Ich trainiere sowohl draußen an der frischen Luft als auch zu Hause und achte besonders auf gesunde Ernährung sowie ausgewogenen Schlaf. Ernährungsberatung ist auch eine wichtige Komponente, die wir unseren Kunden anbieten.
Veröffentlicht im Dezember 2020.

Foto 1: Fitnesspark Puchheim: Die beiden Geschäftsführer Norbert Schrimpf (links) und Michael Gorlt (Fotoquelle: Fitnesspark)

Foto 2: Kaffeehaus: Geschäftsführer Özkan Ünal (Fotoquelle: Kaffeehaus)

Foto 3: das seidl Hotel & Tagung: Geschäftsführer Frank Seidl (Fotoquelle: Kaffeehaus das seidl Hotel & Tagung)