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Ein Überlebenskampf – Wie Geschäftsführer von Puchheimer Unternehmen die Corona-Krise erleben

Als Inhaberin des Reisebüros Herrmann-Korths GmbH, das bereits seit 1982 in Puchheim ansässig ist, erzählt Beatrix Ehegartner, wie die Folgen der Corona-Krise einen noch stärkeren Teamzusammenhalt schaffen. Der Geschäftsführer der Zeeh Design GmbH, Julian Hauser, berichtet vom freien Fall in der Messe- und Eventbranche durch Corona. Und was Gesichtsmasken für die Modebranche bedeuten, schildert die Geschäftsinhaberin des Modepavillons Claudia, Claudia Schleyer-Voigt. Ein kurzer Einblick in das Leben einzelner Wirtschaftshelden in Zeiten der Corona-Krise. Die Interviews führte Sonja Weinbuch, Wirtschaftsförderin der Stadt Puchheim.

Wie sehr wurden Sie von den Corona-Maßnahmen der Bundes- und der Staatsregierung überrascht? Konnten Sie sich darauf vorbereiten?

Beatrix Ehegartner: In dieser Heftigkeit habe ich es nicht kommen sehen, auch die Heimholungsaktion im Auftrag des Außenministeriums kam sehr plötzlich. Alle Reisenden waren bis Ende März zu Hause. Dafür war ich Tag und Nacht über WhatsApp mit unseren Kunden auf der ganzen Welt in Verbindung. Da es so früh im Jahr passiert ist, waren in erster Linie Fernreisende davon betroffen.

Julian Hauser: Der Lockdown war aufgrund der vielen Stornierungen im Messebetrieb schon relativ früh spürbar. Der Mobile World Congress in Barcelona wurde bereits Mitte Februar storniert. Und so ging es wie im freien Fall weiter, wie wenn man auf einer Falltür steht und jemand legt den Hebel um: Innerhalb von 14 Tagen wurden 25 bis 30 Projekte storniert, die schon teilweise auf der Autobahn auf dem Weg zum Messeaufbau waren. Alles ist plötzlich zusammengebrochen.

Claudia Schleyer-Voigt: Ein Lockdown hatte sich zwar angekündigt durch z. B. die Maßnahmen in Italien, aber trotzdem hat uns die Härte der Maßnahme und die Konsequenz überrascht. März und April sind in der Modebranche aufgrund des Saisonstarts und des passsenden Wetters die umsatzstärksten Monate im Jahr, auf deren Ausfall kann man sich nicht vorbereiten. Die ersten zwei Tage nach dem Lockdown war ich in einer Schockstarre. Doch dann suchte ich nach Lösungen, wie ich trotz der Einnahmeausfälle die Ausgaben für die fünf Angestellten sowie für Miete, Versicherungen und Warenlieferungen stemmen kann.

Welche Folgen hat die Corona-Krise für Sie sowie Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter?

Hauser: Das operative Geschäft wurde eingestellt. Seit 1. April bedeutet das unter anderem Kurzarbeit für unsere 76 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Die Liquidität musste gesichert werden, das Unternehmen wurde „sturm- und regenfest“ gemacht. Da es jeden in der Branche betrifft, ist auch „geteiltes Leid halbes Leid“. Mit den Mitarbeitern bleiben wir über Telefonkonferenzen in regelmäßigem Kontakt. Neben der Mitarbeiterkommunikation und Teamleiterkonferenzen ist nun eine proaktive Positionierung durch Vertrieb, Akquise und Marketing die Hauptaufgabe. Außerdem lässt die Absage der Messen in der Phase des Lockdowns die Kunden in einem rechtsfreien Raum fragen, welche Leistungen, die nicht erbracht wurden, trotzdem bezahlt werden müssen. Mein Arbeitstag ist ganz und gar nicht kürzer geworden, eher länger.

Schleyer-Voigt: Die Corona-Krise ist eine existenzbedrohende Situation für Geschäftsinhaber und deren Mitarbeiter. Die ersten eineinhalb Wochen nach dem Lockdown waren eine Belastung, wie ich sie noch nie hatte. Im April musste ich Kurzarbeit beantragen. Trotzdem beschlossen wir, alles an Kreativität und Service aufzufahren: Kostenloser Lieferservice, tägliche Produktpräsentation auf den Social-Media-Kanälen, Aktualisierung der Schaufenster, WhatsApp-Account mit Katalog-Funktion, Erreichbarkeit über Skype, Instagram und Facebook und schließlich die „ClaudiasFashionBoxKommtZuDir“-Initiative. Dank der Stammkunden hat das Projekt sehr gut funktioniert. Überhaupt gab es extrem berührende Momente. Ein Kunde kaufte beispielsweise einen Riesengutschein, mit dem er ein Jahr einkaufen könnte. Die Unterstützung des Einzelhandels war da. Das sind die kleinen Lichtblicke, die diese schwierige Situation auch mit sich bringen kann.

Ehegartner: Meine vier Angestellten und ich haben alle Hände mit Stornierungen und Umbuchungen zu tun, sowohl in Kurzarbeit als auch unentgeltlich. Der Zusammenhalt in unserem Team ist wirklich groß, das hat die Bereitschaft meiner Mitarbeiterinnen gezeigt, von Beginn an unbezahlt weiter zu arbeiten, was mich menschlich sehr berührt hat. Ein Aufsperren des Ladens, was inzwischen wieder möglich wäre, und die Aufarbeitung sind gleichzeitig nicht möglich. Von einem einzigen Reiseveranstalter bekomme ich circa 100 E-Mails am Tag, um Umbuchungen oder die Erstattung von Kundengeldern abzuwickeln. Reisen wird teurer werden, da es aufgrund der Pleiten durch die Corona-Krise weniger Angebot geben wird. Und Reisen außerhalb Deutschlands sind bis zum Herbst nicht abzusehen. Daher buchen die meisten Kunden nun auf Reisen innerhalb Deutschlands oder nach Österreich um, denn Reisegutscheine von Veranstaltern sind nicht abgesichert. Nur bei Pauschalreisen mit Sicherungsschein sind die Kundengelder abgesichert. Hinter verschlossenen Türen sind wir also nach wie vor für unsere Kunden da. Wir haben total nette Kunden, die großes Verständnis haben und die wir teilweise schon sehr lange persönlich kennen.

Mit der Ladenöffnung sind die Probleme nicht gelöst. Wie schätzen Sie nach einer Woche der Öffnung das Einkaufsverhalten der Menschen mit den Lockerungsmaßnahmen ein? Gibt es ein Produkt, das in der Corona-Zeit besonders gefragt ist?

Schleyer-Voigt: Vielen Menschen wurde es nochmal viel bewusster, welch wichtige Rolle der Einzelhandel vor Ort spielt. Das spiegelte auch die Ladenöffnung wider. Wir hatten einen superguten Start. In der ersten Woche standen die Kunden Schlange vor dem Laden. Natürlich werden die Hygienemaßnahmen sehr streng eingehalten. Die Menschen finden es schön, dass Normalität zurückkehrt, man kann sich endlich wieder eine Freude machen. Besonders gefragt sind auf jeden Fall die modischeren Mund- und Nasenmasken.

Wie gehen die Menschen mit der Maskenpflicht um und welche Probleme sind jetzt die größten für Sie?

Schleyer-Voigt: Die Maske schafft zusätzliche Distanz, die dem Geschäft in der Modebranche nicht förderlich ist. Ohne Mimik ist die Kommunikation deutlich erschwert, die Augen alleine können das nicht kompensieren und viele Kunden finden sich nicht schön mit der Gesichtsbedeckung. Aufgrund der Hygienemaßnahmen würde ich eigentlich noch mehr Personal benötigen. Neben den angebrachten Desinfektionsständern und dem Desinfizieren nach jedem Kunden werden auch nur zwei von drei Umkleidekabinen geöffnet, um den Abstand zwischen den Kunden zu wahren. Für Risikogruppen werden täglich in der Mittagszeit Einzelberatungen angeboten. Ich arbeite wesentlich mehr und habe zugleich deutlich weniger Umsatz.

Fühlen Sie sich von der Politik genügend unterstützt?

Hauser: Die Hilfsprogramme der Bundesregierung sind in Ordnung. Noch ist kein Darlehen da, aber die Vorbereitung der Unterlagen dafür ist überschaubar. Die neue Liquidität ist für die geplanten Projekte im Jahr 2021 notwendig. Auch für die Mitarbeiter wird etwas getan. Das Kurzarbeitergeld wird ab dem vierten Monat spürbar erhöht. Das ist gerade in längeren Phasen der Kurzarbeit ein wichtiges Instrument, damit sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht aus wirtschaftlichen Gründen einen anderen Arbeitgeber in einer anderen Branche suchen müssen.

Ehegartner: Nein. Der Tourismus allgemein wird zu wenig unterstützt. Die Veranstalter bekommen Millionenkredite und die Reisebüros nichts. Wenn Reisen seitens des Veranstalters storniert werden, dann haben wir Reisebüros keinen Anspruch auf Provisionen. Diese müssen wir dann, insofern erhalten, an die Veranstalter zurückzahlen, obwohl wir für dieses Geld gearbeitet haben. Wir sind oft der einzige Ansprechpartner für unsere Kunden, da die Reiseveranstalter kaum erreichbar sind. Wir sind der Buhmann der Nation.

Schleyer-Voigt: Eigentlich nein. Mir ist allerdings bewusst, dass eine Unterstützung seitens der Politik nur bedingt möglich ist. Finanzielle Hilfen sind teilweise angekommen, sind jedoch bei vielen Selbstständigen nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Die Öffnung des kleineren Einzelhandels nach fünf Wochen Lockdown war ein absolut wichtiges Signal für mich und meine Mitarbeiter, um wieder eine Perspektive zu haben.

Wie groß ist der Wunsch der Menschen, wieder reisen zu können?

Ehegartner: Die Umbuchungsbilanz ist positiv, was zeigt, dass die Reiselust bei den Menschen ungetrübt ist. Auch die Unterstützung der Puchheimerinnen und Puchheimer ist groß. Die negative Corona-Krise weckt wieder den positiven Grundgedanken, dass es sich lohnt, die Geschäfte in der Stadt am Leben zu erhalten. Die Ideen und Geschäfte vor Ort werden viel mehr geschätzt. Es ist unser größtes Anliegen, dass die „reiselustigen“ Kunden nach Corona nicht im Internet buchen.

Wie optimistisch schauen Sie in die Zukunft?

Hauser: Es wird noch einige Monate dauern, bis es weitergeht. Vielleicht kann die Expo-Real im Oktober wieder stattfinden, für dieses Jahr erwarte ich jedoch keinen weiteren Umsatz. Das ist eine bittere, aber realistische Einschätzung. Generell sind wir jedoch zuversichtlich. Es ist schwer, momentan einzuschätzen, welche langfristigen Veränderungen die Corona-Krise mit sich bringen wird, aber das Wichtigste ist: Wir glauben ganz fest an die Live-Kommunikation – auch wenn gerade jetzt in der Corona-Zeit viel mehr digital abläuft als vorher. Der direkte Kontakt von Mensch zu Mensch ist nicht zu ersetzen. Es wird vielleicht einen Trend zur Reduzierung der Messeflächen geben, aber auf keinen Fall zu einem Ersatz.

Ehegartner: Ich bin trotz allem sehr zuversichtlich für 2021 und hoffe, dass ich die Arbeitsplätze meiner langjährigen Mitarbeiterinnen halten kann. Das Reisebüro Herrmann-Korths gibt es seit 1982 in der Lochhauser Straße. Wir möchten auch weiterhin in Puchheim das einzige private Reisebüro bleiben und zählen auf die Unterstützung der Puchheimer.

Schleyer-Voigt: Es wird sicherlich noch bis nächstes Jahr dauern, bis sich die Situation im Einzelhandel wieder etwas entspannt. Wir werden sehen, wie sich das Kaufverhalten der Menschen und die Kaufkraft entwickelt. Der Markt wird selektiert werden, Online-Riesen sind auf alle Fälle jetzt schon Gewinner der Corona-Krise. Der Unsicherheitsfaktor, wie die Zukunft in sechs der zwölf Monaten aussieht, bleibt. Momentan bin ich mitten in der Planung für die kommende Herbst- und Winter-Saison. Die Platzierung der Aufträge ist eine große Herausforderung in der jetzigen Situation. Die soziale Verantwortung, die ich für meine Mitarbeiterinnen trage und die persönliche Bindung zu vielen Stammkunden, die ich teilweise schon seit 30 Jahren kenne, lassen mich weiterkämpfen. Letztendlich ist eine persönliche, gute Beratung und ein Bummel durch kleine Geschäfte nicht durch einen schnellen Onlinekauf zu ersetzen. Das spricht für die Zukunft meiner Branche und gibt uns Mut.

 

Foto 1: Symbol für die Corona-Krise: Viele Büros sind verwaist oder es wird dort nur mit spürbar verringerter Personenzahl gearbeitet. (Foto: Zeeh Design GmbH)

Foto 2: Die Mitarbeiterinnen des Reisebüros Herrmann-Korths GmbH arbeiten derzeit noch im Homeoffice. (Foto: Reisebüros Herrmann-Korths GmbH)

Foto 3: Auf die Einhaltung der Abstandsregeln wird im Modepavillon Claudia großer Wert gelegt. (Foto: Modepavillion Claudia)

Foto 4: In der Corona-Zeit steht der Fuhrpark der Zeeh Design GmbH still. (Foto: Zeeh Design GmbH)

 

Veröffentlicht im Mai 2020.

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